21.11.2011 - Split - Kroatien - km 2211

Aaach, was schrieb ich über Schmerzen. Hör mir auf. Ist doch alles gar nicht mehr aktuell. Ab auf`s Radl und los geht es. Na gut, ab und zu mosern die Knie, aber nur wenn ich es mal wieder wissen und Anstiege im Sprint bewältigen will. Halt das klassische Hau-Ruck-nicht-runterschalten-sondern-sich-aus-dem-Sattel-treten bei kurzen steilen Anstiegen. Das bringt nachhaltig für den ganzen Tag Gelenkschmerzen. Wahrscheinlich dümpel ich kurz vor einer Knieüberlastung rum und diese unvernünftigen Verhaltensweisen bringen das Fass dann zum Überlaufen. Ist halt nicht das flache Münsterland....Ich sollte anfangen zu dehnen. Schließlich hat das bei der Islandtour ja auch geholfen....

Egal, zu jeder Bergetappe gehört auch die Talfahrt. Und das geht mit 140 kg wie folgt! Eine Wahnsinnsgaudi.

Inspiriert durch Lucas Brunelle, ich freu mich schon auf seine DVD.

https://www.digave.com/videos/

Besonders folgende Videos sind sehenswert:
Mexican Highway, London Calling, Drag Race NYC

 

Ansonsten hab ich lange nicht mehr geschrieben. Highlights waren der St. Bernhard Pass mit 2473 Höhenmetern, die ich an einem Tag rauf und fast auch wieder komplett runter bin.

300 Höhenmeter unterhalb des Passes setzte die Dämmerung ein. Völlig ausgebrannt und nur noch schiebend bin ich die letzten Meter hoch. Es war verdammt windig und hatte deutlich unter 0 Grad, leichter Schneefall. Hände waren steif gefroren und Fingerkuppen schon taub. Füße waren auch eisig, wegen der kurzen Hose. Aber anhalten und umziehen wollte ich so kurz vor dem Pass dann auch nicht mehr.

Habe mir auf dem Weg nach oben aus 3 Quellen sagen lassen, dass der Pass entweder wegen Lawinengefahr, Bauarbeiten oder eingestellter Schneeräumarbeiten gesperrt sei. Durch den St. Bernhard Tunnel durfte ich aber alternativ nicht, der einsilbige Mautkontrolleur hat ganz böse geguckt, als ich in den Tunnel einbog und wollte partout die Schranke nicht öffnen. "Autostrada" hieß es immer wieder. Also, was sollte ich machen. Auf Schweizer Seite sah der Pass auch gangbar aus. Es war geräumt und gestreut. Aber Ex-Silvio hatte in seinem Hoheitsgebiet wohl schon den Rotstift angesetzt. Die mir entgegenkommenden Fahrzeuge mit Lichthupe wollten mich gar nicht anfeuern. Die mussten umdrehen, weil es nicht weiter ging und versuchten mir das verzweifelt mitzuteilen. Bei der Abfahrt auf Italienischer Seite im Dunklen sah ich dann das Malheur. Es wurde abenteuerlich. Ich konnte wegen des Schneefalls nur blinzelnd abfahren. Immer ein Bein baumelnd, da die Straße vereist war. Auf eine Abkürzung nach unten wollte ich verzichten. Plötzliche Schneewehen, so tief, dass es mir die Ortliebs vom Rad gerissen hat. Komischerweise ist das Plastik der Ortliebs aber nicht gebrochen. Gute Teile. Und gut dass ich auf Nabendynamo umgesattelt habe.

Bremsen war so eine Sache. Ein Nachteil der Maguras: Bei Kälte zieht sich die Bremsflüssigkeit zusammen. Bei 20 °C hat man nen schönen Druckpunkt, bei 0 °C berühren die Backen nur noch sanft die Felge. Nachstellen ist eigentlich ganz einfach per Rändelschraube möglich, aber nicht mit steifen Fingern. Also das Geschwindigkeitsequilibrium durch nutzen des (Fahrt) Windes und Fahrens in der Schneedecke gesucht. Hat wunderbar geklappt. Mit jeden 100 Meter Abfahrt wird es ja auch um 0,5 °C wärmer. So hatte ich nach ein paar 100 Metern wieder akzeptable Bremskraft. Dafür aber auch Schneeregen und später nur noch Regen..... Hab übrigens 50 SFr. beim Aufstieg gefunden. Jipi.

 

Das Gefühl für Zeit hab ich verloren, was oftmals sehr angenehm ist. Nachteil: Ich werde immer wieder von den Sonntagen überrascht. In der Schweiz hieß das durchaus mal einen "Survivaltag" einlegen. Hört sich wilder an als es ist, denn im Oktober ist in der Schweiz der Gabentisch entlang der Straße reich gedeckt:

Gekochte Zuckerrübe, Mais, Äpfel naturelle oder gekocht, geröstete Bucheckern.

Alternativ Kastanien, Walnüsse, Birnen und der ganz gewiefte schafft es auch den zahmen und trägtrotzigen Kühen Milch abzunehmen. Die stehen übrigens total auf salzige Haut. Ich war mit 4 Tagen ohne Dusche somit DER Cowboy...Von einer Kuh geleckt zu werden ist schmerzhaft. Die raspelt mit der verhornten Zunge auf Dauer das Leder runter.

 

Das Survival funktioniert natürlich auch auf dem GR20, wo ich für die von einer Skistation kommenden Tagtouris nach 10 Tagen Wanderung ein begehrtes Interviewobjekt darstellte. Interview gegen Naturalien wie Rosè, gefüllte Blätterteigtaschen, korsischem Käse/Salami, Brot, Süßigkeiten und Weintrauben. Das alles für zwei Stunden Konversation, versteht sich. War ja schließlich auf französisch und das ist ganz schön anstrengend. Bewährt hat sich übrigens bei der Einladung zum Essen zu sagen: "Ich esse nur was ihr mir auf den Teller legt." Da konnte ich sicher sein, dass ich auf jeden Fall von allen Mitbringseln die obligatorische Probiermenge abbekomme. Wenn man dann noch schneller ißt als der Gastgeber, fühlt der sich beim Alleinessen unwohl und legt wieder nach. Ach, ich alter Stratege....

Natürlich darf ein übertriebenes "Mhhhh, c`etait bon!" nicht fehlen wenn der Teller leer sein sollte, um den Fokus während des Gesprächs wieder auf den Versorgungsengpass zu lenken ;-). Mangels Teller hab ich ein Rechteck mit den Finger auf dem Tisch angedeutet....

 

Auf Korsika hieß es Wandern, was das Zeug hält. 180 km und über 10.000 Höhenmeter. Wahnsinn. Ich mag den GR 20. Bin zuerst die Südetappe gelaufen, hab dann 2 Tage zum Nachschubkaufen, Regenerieren und Fahren zum nördlichen Einstiegspunkt der Nordetappe gebraucht. Über diese beiden Tage hat es auch geregnet, tangierte somit nicht. Sonst hatte ich in den 3 Wochen Korsika nur trockenes Wetter, meistens sogar Sonne. Und Leute gibt`s auf Korsika. Hab dort viel Zeit gehabt mich zu unterhalten, insbesondere auf dem GR20. Lebenskünstler, Normalos, und ganz besonders hat`s mir die Geschichte eines Penners angetan, mit dem ich ein Bierchen gehoben habe. Der war mal Projektmanager im Softwarebereich. Ein Mann, der ganz früh auf dem Softwarezug war. Workoholik sagte er.

5 Millionen hätte er in seinem gesamten Berufsleben verdient. Keine Zeit sich um Finanzen zu kümmern. Von morgens bis Abends im Büro, immer auf Achse, Projekte in der ganzen Welt. 4 Millionen hätten nun seine 3 Exfrauen - insbesondere eine von denen habe sich sehr genau um seine Finanzen gekümmert ;-). Die letzte Million hat er in den Sand gesetzt, als ihn die Sinnkriese packte, weil er realisierte, dass er sein Leben im Endeffekt nur anderen zu Dienstleistungszwecken zur Verfügung stellte. Da er Gourmet und Weinkenner ist/war, hatte er sich gedacht, er könnte doch seinen Lebensabend auf einem Weingut verbringen. Nebenbei noch einen ordentlichen Wein keltern und so etwas nebenher verdienen. Also hat er sich in Bayern ein kleines Gut gekauft. Den Kauf angezahlt, den Rest finanziert. Was er nicht wusste: Die Reben waren alt und trugen nicht mehr ordentlich. Nach den ersten schwachen Ernten hat er alles raus gerissen und neu angepflanzt. Mindestens 3 Jahre mit der schnellsten Rebe müsse er warten, bis er Ernten könne, haben ihm die Nachbarwinzer gesagt. Aber er müsse schon Glück haben, wenn er mit der schnellen Sorte einen außerordentlichen Wein zaubern wollte.....dass wusste er auch, aber er war alt und brauchte das Geld. Die laufenden Kosten fraßen ihn auf. Deswegen die schnell tragenden Reben. Und dann ging alles ganz schnell...Der Wein, so sagte er, war wirklich scheußlich --> Privatinsolvenz, alles weg. Alkohol. 120 er Zigaretten. Er hat anschließend auf einem korsischen Biohof als "Rechte Hand" gejobbt. Doch mit dem Alkohol kam der körperliche Verfall schnell. Er konnte nicht mehr mithalten. Jetzt dümpelt er durch Bastia von Tag zu Tag. 168 will er werden, dann hätte er das Geld was er in die Rente eingezahlt hat wieder raus. Das ich ihm sagte, dass er sich momentan eher so verhalte, als wolle er sozialverträglich ableben, holte ihn schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Naja, glaube aber nicht, dass das bei Ihm gefruchet hat. Er sagte, ich könne mir nicht vostellen, welche Unzufriedenheit die Erkenntnis mitsichbrächte, sein Leben rückblickend derart verwirkt zu haben. Das sei nur mit Alkohol einigermaßen erträglich....und nahm den nächsten Zug. Er war mir übrigens nicht bös, im Gegenteil.

 

Jura Radweg + Korsika GR20

Meine Stiefel habe ich in Freiburg bekommen, Dank an Alleatin, Latze und Tine! Die laufen sich auch viel besser als die Alten, ich musste nur die erste GR20 Woche tapen, danach waren die hinreichend eingelaufen. Das hatte ich mir schlimmer vorgestellt.

Dafür konnten mangels verfügbarer Ware die Felge und die Speichen nicht wie geplant beim Fahrraddealer in Milte getauscht werden, sondern erreichten mich erst per Postweg auf Korsika. Gut dass ich im Einspeichen schon Übung habe, so war folgendes Desaster nach ca. 5 Stunden und 3 Bier behoben. Mit Alkohol läuft das Hinterrad rund, ohne kann man noch' nen kleinen Höhenschlag sehen, jedoch beim Fahren nicht spüren. Also alles TipTop.

Das Rad läuft, der Rahmen ist bei den 140 kg tats. Gesamtgewicht ein wenig wobbelig, besonders beim Wiegetrittt oder scharfen Kurven und geht bei ca. 40 km/h mit aktueller Beladung etwas in Resonanz, stört aber im Alltagsgeschehen nicht. Lediglich über die Rohloff könnte ich mich öfters aufregen. Also sie tut ihren Dienst, hat eine schöne Abstufung und wird hoffentlich die Tour überleben. Aber mit den Schnittstellen Mensch - Rohloff und Rohloff - Rad kann ich mich überhaupt nicht anfreunden. Lärm in Gang 1-7, Wirkungsgrad lachhaft (Prospektangaben mit 95 % sind ein Witz), Drehschaltgriff steht Rapidfire um längen nach (besonders bei ordentlich Regen oder mit Handschuhen rutschig), nur 32 Speichen, keine Hohlachse deswegen kein Inbus sondern Hutmuttern und Torx am Drehschaltgriff (zus. Werkzeug), hakeliges Schalten zwischen 7 und 8 Gang (landet ab und zu in einem Zwischengang, der ist untretbar), kein Schalten unter Last....Ich bearbeite das Teil mental häufig mit dem Vorschlaghammer. Jürgen, wenn du daheim bist, musst du das Teil unbedingt loswerden. Jaaa, mein altes Rad hatte viele der Macken nicht. Seit ich das neue Rad habe merke ich erst, wie adaptiert doch das Alte war - und das zum halben Preis. Pest und Cholera sollen den Dieb einholen.

 

Nach Korsika ging es rüber nach Livorno - Italien - über die Appeninen per Passo de Radici. Zwar nur 1500 Höhenmeter, aber ich habe mich fatalerweise entscheiden dürfen, ob ich lieber 15 km mit 500 Höhenmeter fahren möchte oder 25 km. Ich habe die Abkürzung genommen, die 25 km Strecke kannte ich schon von einer anderen Radtour. Der Anstieg war heftig. Es gab drei Passagen mit 18 % Steigung. Da geht bei mir nix mehr. Selbst beim Schieben muss ich Pausen machen. 10 % kann ich über 1 bis 2 Stunden ohne Unterbrechung so grade strampeln, das habe ich in der Schweiz festgestellt. Von daher war die Abkürzung nur auf der Karte real, zeitlich ging das Ganze nach hinten los. Ich hab den Pass an Tag 1 nicht gepackt. Also ab in den Busch, Zelt aufgeschlagen. Über Nacht fing es dann an zu Regnen. Eben jener Regen, den Ihr wahrscheinlich im Fernsehen mitbekommen habt, als Torino abgesoffen ist.

Tagsüber Sonne, Nachts Regen, Appeninen als Wetterscheide und Küstennähe. Da dachte sich der ob des Unwetters unwissende Jürgen, dass er hier sein im Erde LK angeeignetes Wissen über das Lans-See-Windsystem ausspielen kann. Deswegen habe ich das Netbook gezückt und erst mal Siedler 2 angeworfen. Schließlich muss sich die Windrichtung ja im laufe des Vormittages ändern und der Himmel aufklaren. Irgendwann gab es die Akkuwarnung vom Netbook. Komisch, regnet immer noch. Ich schaute auf die Uhr. Aaargh, 16.00. Verdammt, den ganzen Tag verzockt. Noch 2 Stunden Sonnenlicht und Regen. Ach komm, bleibste liegen....Am nächsten Morgen wieder Regen, na gut, dann halt das erste mal richtig nasswerden. Je höher ich kam, desto schlimmer wurde es.

Nass bis auf die Knochen, wie man so schön sagt. Auch 3 Stunden lang abfahren brachte keine Änderung. Wenigstens war mir trotz der Abfahrt warm. Ich schloss einen Deal mit mir und den mir bis dato unbekannten Regentagen. Wenn es regnet darf ich in eine Hotel einkehren, ungeachtet der Kilometer, die ich gefahren bin. Toller Deal. Gefällt mir. Ich glaube alle sind damit zufrieden.

 

Venedig:

Ich bin mit dem Fahrrad durch Venedig gefahren. Hab mir sagen lassen, dass das nicht jedem gelingt!

1. Es gibt keinen Fahrradweg/Fußweg nach Venedig.

2. Es gibt Kontrollposten die keine Fahrradfahrer durchlassen.

3. Es gibt Ordnungshüter, die einen Anhalten umzukehren.

4. Die Kanäle sind größtenteils durch Brücken verbunden, die klassischerweise nur Treppen haben.

Ich hab bis zur Brücke den 2 spurigen Zubringer genutzt (siehe Foto), bin 2 mal im Rücken der Kontrollposten über den Fußgängerweg durchgerauscht, wurde nicht von Ordnungshütern gesehen und irgendwie bin ich dem Kanalwirrwar immer auf Brücken mit Rampen für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen gestoßen, so dass ich tatsächlich die gesamte Westhälfte von Venedig erkunden konnte.
Hier die "Ponta della Liberta": Erst auf der Brücke gibt es einen Fußgängerweg. Davor fährt man auf der ungemütlichen Zweispurigen...


 

Von Venedig war ich aber enttäuscht, denn das was ich sah, hat mich nicht vom Hocker geholt. Nur im dunklen konnte Venedig mit Lichterspiel aufwarten. Trotzdem und überhaupt: es riecht nach Fischerei. Zu allem Überfluss musste ich wegen der fortgeschrittenen Zeit in ein Hotel einkehren. Die Rückfahrt über die Zweispurige im Dunkeln war zwar schon so Lala, aber als ich dem Moloch endlich entfleuchen konnte, gab`s doch keinen vernünftigen Zeltplatz ausserhalb. Das gesammte Festland um Venedig herum ist Lehm und Schlick. Alles Sumpfig.

Basel, Torino, Pisa (hässlich), Venedig, allesamt höchstens durchschnittlich. Ich habe beschlossen keine Städte mehr der Städte wegen anzufahren. Ich ende bei Großstädten sowieso immer in Hotels, da ich sie meistens am späten Nachmittag erreiche und es nicht schaffe wieder vor dem Dunkelwerden zwecks Zeltplatzsuche rauszukommen. Soviel Nörgelei sei mir gegönnt.

 

Es eine Routenänderung zum Masterplan zu verkünden:

Entgegen der Planung per Donau Richtung Istanbul zu radeln, werde ich per Ex-Jugoslawien und Griechenland nach Istanbul. Ich habe Asier (seines Zeichens Italiener) auf Korsika getroffen, der von Amsterdam unter anderem per Donau nach Istanbul wollte. Er ist ab Wien in den Donauradweg eingebogen und hat`s am Fluss nicht lange ausgehalten. Das wäre landschaftlich wie der Rheinradweg Höhe Düsseldorf. Industrie ohne Ende. Er hat sich dann einen neuen Weg per Ex-Jugoslawien gesucht. Das wäre prima gewesen, vor allem von Albanien war er angetan. Mittlerweile hat er mir auch die genaue Route zugemailt, was ich mit dem Euroveloradweg Nr. 9 ab Trieste abgeglichen habe.

Ich bin schwer begeistert von der neuen Route:
 

Slovenien (Ich war hier nur einen Tag):

2 Autos haben angehalten und gefragt, wie`s geht, welche Richtung etc.

Ich wurde auf einen O-Saft in ein Restaurant eingeladen. Leider hatten das Pärchen eigentlich keine Zeit, der Sohnemann ein Referat zum nächsten Tag machen musste. So wurden sie vom Sohnemann nach einer halben Stunde nach Hause gedrängt.

Eine weitere Einladung nach Lubljiana zum kostenlosen Surfen und Reiseplanen auf der Arbeitsstelle von Olga, die ich während einer Tropfsteinhöhlenbesichtigung kennenlernte. Das lag dann aber außerhalb der Richtung.

Und des öfteren Ge(licht)hupe mit wildem, anfeuerndem Gestikulieren hinterm Lenkrad bei freundlichem Gesicht. Übrigens machen es die Slovenen richtig: Erst vorbeifahren, dann hupen. Und nicht wie die Italiener direkt hinter einem beim Überholen. Ich bin doch Schreckhaft.

 

Kroatien:

Kaum habe ich mich im Hafen von Rijeka niedergelassen um was zu essen, bleibt Vanja stehen und fragt, ob ich schon eine Übernachtungsmöglichkeit hätte. Ich könnte doch bei ihm in der WG pennen. In einer Hafenbar wollte er noch Martina abholen und was für uns kochen. Da sagt der Jürgen doch nicht nein. Der Abend hat vieles getoppt, tiefgreifende Gespräche bei einer Flasche Wein pro Nase, "Schrödingers Katze" war auch dabei. Am nächsten Morgen die Ernüchterung, wir hatten die Welt nicht gerettet. Dabei hatten wir Nachts den gordischen Knoten schon durchschlagen geglaubt. Parallelen an so manchen nächtlichen Diskurs auf lutterbeckschem Grund wurden wach.

Geradezu beeindruckend auch die Übermittlung folgenden Ratschlages: "Ich solle nicht bei Dunkelheit radfahren, man wüsste ja nie, es führen hier sehr viele mit Alkohol", belehrte Martina um 2 Uhr Nachts und machte sich nach einer ganzen Flasche Wein mit dem Auto auf den Heimweg. Ich bin sprachlos.

Die beiden haben sich zuvor noch meiner Route angenommen und die etwas gepimpt. Ich solle besser per Fähre Inselhopping betreiben: Krk, Cres und Losinj und dann bei Zadar wieder ans Festland, um einen ordenlichen Teil Highway entlang der Küste zu meiden. Gesagt getan. War schön, auch schön Hügelig, nur leider ist der Fährbetrieb im Winter arg reduziert. So fährt die letzte Fähre Richtung Zadar nur einmal die Woche, statt täglich. Arrrg. Na ja, bei 15 € Hotel/ Nacht will man mal nicht meckern und die 3 Tage absitzen....Bin jetzt in Split und werde via Dubrovnik und Tirane dann horizontal Richtung Thessaloniki und Istanbul einbiegen.
 

29.09.2011 - km 627 - Freistaat Füchtorf, Deutschland


Etappe 1 - Füchtorf - Metz - Freiburg auf einer größeren Karte anzeigen

Nu gait dat los...

Start mit moderater Etappe Richtung Milte zum Fahrraddealer, schnell noch Ersatzspeichen und Fahrradschloss eingeladen und dann weiter zu Schwesterherz nach Münster auf letzte Henkersmahlzeit. Eskortiert wurde ich auf den ersten Kilometern von meinen Eltern, angenehme Art die Reise zu beginnen. Ich war denen wohl zu langsam mit all dem Gepäck, weswegen die dann auch ab Milte umkehrten (na ja, ganz so war`s dann auch nicht, sie hätten mich ihren Gesichtern nach zu urteilen, wohl ganz gern wieder mitgenommen). Aber ich bin ja nicht aus der Welt....

Bei Schwestern gab`s noch mal richtig vom Feinsten zu essen: Rinderrouladen mit Kartoffelgratin und Vanilleeis auf Bratapfel. Yammi yammi. Und das Beste: Eine Ration zum Mitnehmen! Pit, you saved my day!

 

Schattenseiten...Na ja, der Niederrhein ist nicht so mein Fall. Der Radweg folgt in der Ausrichtung der "Route der Industriekultur" und hat leider viele Schlenker durch marode Bausubstanz oder wenig ansehnliche Stadtteile. Erst ab Düsseldorf lichtet sich das Bild. Hier einige Eindrücke vom Niederrhein.

 

Zu den dürftigen optischen Reizen gesellte sich das obligatorische schmerzhafte Einfahren. Prinzipiell habe ich ja für diese Tour so ziemlich alle Anfängerfehler begangen oder begehen müssen, die man so machen kann. Ich hab ein nicht eingefahrenes, kurzfristig zusammengestelltes Rad (für mein altes habe ich 6 Monate recherchiert), habe nagelneue Wanderstiefel für die Wandertouren, bin völlig untrainiert losgefahren und die letzte(n) Woche(n) vorher hatte ich mich mit allem möglichen beschäftigt, nur nicht mit der Tour....

Das heißt, die Schnittstellen Körper - Rad mussten erstmal eingenordet werden. 1:0 für das Rad. Alles tat weh.
Der erste Tag war ein Tanz auf rohen Eiern, die Sattelposition passte noch nicht. Am Muskelkater bin ich grad so vorbeigeschrappt, Abends war ich richtig fertig, unterwegs häufig eingeschlafene und schmerzende Handballen, bei starken Huppeln fährt ein Ziehen durch den Rücken wegen der unkomfortablen, buckeligen Schonhaltung für den Wunden A....llerwertesten. Linkes Knie hat sich auch gemeldet....und wehe anfangs gab es Anstiege. Sofortige Kraftlosigkeit und Schnappatmung.
Also einmal das All Inclusive Paket "Pain in the Ass, Deluxe" bitte. Aber so ist`s ja immer gewesen, bei diesen Kick-Starts.

Und da sind wir beim Radreisedauerbrenner, dem Arsch.

***FSK 16+ ***

Die bisher größte empirische Tourerkenntnis dank Mitnahme eines Spiegels: meine Wundstellen am Hinterteil werden Blasen, ähnlich wie Blasen an den Füßen beim Wandern. Hmm, was für den Fuß gilt, gilt auch für den Arsch: Reib- und Blasenstellen tapen. Achtung, Poperze freilassen, sonst gibt`s irgendwann den warmen Gelsattel gratis....Aber nach dem Tapen fährt es sich wie ein junger Gott. Doof nur, dass ich das erst am Tag 6 ausprobiert habe und vor dem Tapen die Gesäßhaare nicht rasierte. Ich schrei mir `nen Ast mit Hansaplast.
Kennt Ihr das, wenn man so einen 20*3 cm Klebestreifen mit einem um die Haarlänge entsprechendem vergrößerten Einzugsgebiet abziehen muss ....Das steht man untenrum nackig im Wald und fängt an zu knibbeln das man ne Ecke loskriegt... Zähne zusammen und HAU RUCK. Tränenden Auges guckt man, ob zwischen den Haaren Haut mit abgezogen wurde. Puh Glück gehabt. Der Schmerz dämpft nur langsam ab. Nur noch drei weitere Klebestreifen!

***FSK 16+ ENDE ***

 

Aus Erfahrung weiß ich ja, dass diese schmerzhaften Zeiten sehr endlich sind. Nach 2 Wochen war das Radreisen immer purer Genuss. Man schwielt sich quasi ein. Ne Pause an Tag 4 hätte natürlich nach Hinten raus einiges leichter werden lassen können. Aber mit dem Radeln aufhören wollte ich nicht wegen des Wahnsinnswetters. Gutes Wetter muss man fahren! Dass es soo lange soo gut wird, konnte ich ja nicht wissen. Obwohl:

Eine rüstige Verkäuferin eines kleinen Lebensmittelladens kurz vor Düsseldorf sah mich bereits durch das Ladenfenster mit dem Rad anrollen. Ich eierte mehrmals durch den Laden und wir schnackten seit einiger Zeit über dies und das und meinem Vorhaben und meine Freude über das aktuell gute Wetter.  Da kam Sie plötzlich auf mich zu, umarmte mich und flüßterte mir ins Ohr: "Das gute Wetter reist mit den Engeln!". Ich musste lachen ob des skurrilen Verhaltens, zahlte dann und verabschiedete mich. Wäre wahrscheinlich nicht so ins Hirn eingebrannt, wenn darauf nicht tatsächlich nur noch Sonnentage gefolgt wären....

Und natürlich wurde das Panorama immer töfter. Mit dem Abzweig in den Moselradweg gab`s auch was für das Auge und den Gaumen.

 

Mosel, Flußradweg in einem eingeschnittenen Tal. Leichter kann man eigentlich nicht Navigieren. Lustigerweise hab ich mich da erstmal verfahren, weil ich eine Abkürzung in einer Flusschlaufe nehmen wollte. Es ging lange Zeit moderat Bergauf, irgendwann war ich 100 m oberhalb der Mosel und fand mich in einer Sackgasse wieder. War aber halb so schlimm. Ich war mitten im September in einem Weinberg gestrandet. Einmal gucken, zweimal gucken. Keiner da: "VÖLLEREI!"

Erst locken die grünen Trauben,

dann die roten,

85° Oechsle, wie mir ein Winzer erzählte. Mann, da schmeckt die Sonne. Alles klebt vor Zucker. Bald bin ich pappsatt.

Wenn man keine Lust hat anzuhalten und abzusteigen, dann kann man auch in der Fahrt die reifen Äpfel vom Baum pflücken. Walnüsse liegen auch überall herum, viele Baumreihen, die den Weg säumen sind Obst oder Nussbäume. Überall sieht man Sammler, die Walnüsse von den Bäumen schütteln. In den Auslagen Weine und frisch gepresste Säfte. Moselland im September ist ein echtes Schlaraffenland. Genau das richtige für den Jürgen. Ab Luxemburg wird die Strecke auch deutlich uriger, verläuft stärker abseits der talfolgenden Zug- und Autotrassen.


Siesta!

Mittlerweile bin ich konditionell auf einem guten Weg, konnte an Tag 7 schon 2 Rennradler nach ca. 15 Minuten Kampf abhängen (gut, das waren zwei Männer weit über dem Renteneintrittsalter, die zwar mit feinstem Material und Zwirn ausgestattet waren, bei deren Wadenanblick man aber realtiv sicher auf Sieg setzen konnte). War aber lustig, die ständigen ungläubigen Blicke von denen zu sehen, als ich näher kam, schließlich ne Zeit im Windschatten hing und dann bimmelte, dass ich doch vorbei wollte. Die wollten es dann wissen, es ging schließlich um deren Rennradlerehre und ich war froh, als die in einigen Metern Abstand einen anderen Weg einschlugen und ich erstmal wieder Tempo rausnehmen konnte. Denn von der Dauersprintfähigkeit bin ich noch gaaaanz weit weg. Aber es macht einfach Spaß, mit so einem Schwerlasttransport ein Porsche-Imitat zu versägen....

 

Dann abends, kurz vor Metz, leichtes Schleifen des Hinterrades an der Bremse. Nix bei gedacht, vielleicht Achsmutter nicht fest genug gewesen und das Rad hat sich `nen bisschen quer gezogen oder Schlammanbackungen aus den morastigen Feldwegen, war schließlich auf Zeltplatzsuche und bin auch mal Abseits in die Waldwege rein. Ich bin dann noch ne ganze Weile weitergefahren, wurde aber immer schlimmer. Schließlich doch mal geguckt, ob ich das nicht richten kann. Und siehe da: Speichenbruch am Gewindeansatz an der Felgenseite. Na super. Wie geht das denn? Hab dann gesehen, dass die Speichen gar nicht mit den Nippeln fluchten und somit die Speiche am Gewindeansatz gebogen wird. Na das ist ja mal ne Sollbruchstelle. Wollte mich ans Tauschen der Speiche machen, da stellt sich heraus, das die Ersatzspeichen für Hinten wie für Vorne jeweils 5 mm zu kurz sind. Da hat der Fahrraddealer wohl Schmu ausgemessen. Zudem sehr unbefriedigend und wenig vertrauenswürdig, wenn die erste Speiche auf europäischen Radwegen bereits nach 600 km den Geist aufgibt. Vollbeladen downhill ne Schotterpiste runter - OK. Bordstein mitnehmen - OK, aber Radwegunebenheiten????

Hab mal überschlagen, was Einspeichen in Frankreich plus 2 Hotelübernachtungen kosten würde. Nur neues Einspeichen reicht natürlich nicht, dadurch hätte ich ja nix gewonnen. Rohloffnabenösen von 2,3 auf 2,6 mm aufbohren und doppeldickend 2,3 - 2 - 2,3 Speichen anstelle der 2 - 1,8 - 2 mm schwebte mir vor. Da wid`s auch schon wieder speziell....Oder per Zug nach Münster, Hotel Mama nutzen und obiges auf Garantietausch beim Fahrraddealer und mit Zug wieder zurück. Nebenbei noch zum Hausarzt und die fällige Masern Mumps Röteln Impfung abholen.

Das mit den Speichen wären aber auch nur 25 % mehr max. Belastung gewesen, die sie aufgrund der Querschnittsvergrößerung ausgehalten hätten....Das ist nicht viel, wenn ich mir Downhill in Nepal vorstelle. Also doch zusätzlich die gefederte Sattelstütze nachrüsten, um den Jürgen zu einer gefederten Masse werden zu lassen. Beides zusammen scheint praktikabel...

Also 6 Stunden Zugfahrt zurück nach Hause und sofort zum Fahrraddealer. Sichtlich überrascht mich zu sehen, und vor allem des Grundes wegen, den er vor Abreise verbal ausschloss und natürlich wegen seiner falsch bereitgestellten Ersatzspeichen.

Mit der Sattelstütze geht er konform (verdient ja auch dran, aber ist ja auch technisch sauber), für die Speichen hatte er eine bessere Lösung:
Die e-bikes haben aufgrund der höheren Belastungen in den Felgen für jede Speiche Nippelsitze, die fluchtend zur Öse der Nabe gebohrt sind. Dadurch können Gewindenippel und Speiche exakt fluchten. Das war ja auch die Bruchstelle, somit werde ich eine Rigida Andra Felge bekommen. Das Umspeichen sollte am 30.09. fertig sein, alles bleibt bei 2,0 - 1,8 - 2,0 Doppeldickendspeichen, sodass ich an selbigem Tag noch wieder in den Zug steigen kann, um Thomas und Tine noch vor dem Abflug am 01.10. nach Neuseeland in Freiburg abzufangen. Die haben nämlich noch meine Wanderstiefel ;-).

 

Bis denne, wahrscheinlich in 2 oder 4 Wochen von Korsika aus.

20.09.2011 - km 00000 - Freistaat Füchtorf, Deutschland

Wie, km 0, was`n los? Eingeschlafen? Tour abgebrochen? Schau mal auf den Tacho! Wir wollen Aktion! War wohl wieder zu warm...? Watt is mit dii Webseite?;-)

Es gibt ja echt ungeduldige Zeitgenossen. CHRISTIAN!

Starttermin ist voraussichtlich der 21.09.2011, also morgen (kleine Unschärfen nicht ausgeschlossen). Hab noch ein wenig Bürokratie um die Ohren, bin am (um)packen, Website aktivieren und wollte morgen meine Fahrerlaubnis Klasse C und CE entgegennehmen. Jaha, positiv sieht`s aus.

Erstes Etappenziel ist Münster, nochmal zu Schwesterherz meine Henkersmahlzeit genießen. Freiburg mit Stichtag 1. Oktober sollte erradelt werden um Latze und Tine zu erwischen, alles Gute zu wünschen und mir dort die letzte Impfung abzuholen. Masern, Mumps, Röteln - mittlerweile müsste ich so ziemlich unzerstörbar sein. Mein Blut ist ein Antibiotika. Vielleicht finde ich ja auch noch ein Mittelchen gegen Radlerklassiker wie Kühlergrillflechte, Profilokokken und akute Türstopperitis. 

Da ich dieses Jahr nur wenig gefahren bin - insbesondere seit dem Diebstahl meines mittelalten Reiserades - fange ich zum Warm werden mit seichten Flussetappen an. Wenn`s zeitlich knapp wird bleib ich am Rhein, ansonsten gibt es planmäßig einen Moselschlenkerl um die Zeit knapp werden zu lassen. Der GR 20 auf Korsika wartet dann im hinteren Drittel des Oktobers, später wird er wohl mit meinem Equipment wegen Schneefalls wegen nicht mehr wanderbar sein. Soweit der Plan.

Hey, Sonne ist angesagt. Auf geht`s.

 

 

Der Masterplan

Hier der grobe Überblick der Tour:


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